Selbst-Coaching gegen die Angst
Ich habe mich auf Grund der Corona-Krise entschieden, einige Methoden ins Netz zu stellen, die sich bei meinen Coaching-Klient*innen in dieser Zeit als hilfreich erwiesen haben.
Die Methoden sind so beschrieben, dass Sie sie alleine durchführen können.
Wenn Sie eine Beratung und Begleitung dazu möchten, können Sie mich gerne anrufen. Morgens in der Zeit von 9 – 10 Uhr bin ich erreichbar unter der Tel. Nr. 0451 / 2927345 und vereinbare dann Telefon-Termine für ein Coaching.
INHALTSVERZEICHNIS
Vererbung von Stress
1.1 Das Problem, dass nicht benannt werden muss …
1.2 Hochsensibilität
1.3 Geführte Meditation – Umgang mit der Angst
Was ist Systemisches Coaching?
Was ist Positive Psychologie?
Die 5 Säulen des Wohlbefindens
2.1 Charakterstärken
2.2 Die Übung der Charakterstärken
3. Wie kann ich positive Gefühle verstärken?
3.1 „Was ist heute gut gelaufen? – Tagebuch“
3.2 Vor vielen Jahren lebte ein Mann in der Schweiz …
3.3 Portfolio der positiven Gefühle
3.4 Wochen- und Monatsplan positiver Gefühle
4. Wie kann ich Probleme lösen?
4.1 Vom Problem zum Ziel
4.2 Mini-Aufstellung mit Zetteln und/oder Symbolen
Liste unangenehmer Gefühle
Die Methoden können einzeln benutzt werden. Sie bauen nicht aufeinander auf.
Vererbung von Stress
2014 wurde eine Untersuchung der Universität in Zürich veröffentlicht. Mediziner hatten eine Generation von Mäusen massivem Stress ausgesetzt. Die Kinder und Enkelkinder kamen entspannt auf die Welt. Man hat nicht in der DNA, sondern der RNA der Enkelkinder den Stress der Großeltern gefunden.
Schlussfolgerung: Bei Säugetieren wird massiver Stress körperlich über drei Generationen weitervererbt.
https://www.ethz.ch/de/news-und-veranstaltungen/eth-news/news/2014/04/vererbte-traumata.html
Das heißt für uns: Wir haben eventuell noch den Stress unserer Großeltern aus dem 2. Weltkrieg im Körper.
Sabine Bode, eine deutsche Journalistin, hat zu dem Thema „Kriegskinder“ und „Kriegsenkel“ einige Bücher veröffentlicht. Sie vermutet, dass rund ein Drittel der Deutschen bis heute unter belastenden Phänomenen leiden, die sich als Spätfolgen des Zweiten Weltkriegs erklären lassen. Die Kriegsenkel, die 1960er- und 70er Jahrgänge, litten häufig unter unerklärlichen Ängsten und einem unsicheren Lebensgefühl, für das ihr bisheriges Leben gar keinen Grund bietet.
Die Erfahrung in meiner Coaching-Praxis ist, dass Lebenskrisen, Scheidungen, Arbeitsplatzverluste und jetzt die Corona-Krise diese alten Ängste aktivieren kann. Mit den folgenden Methoden können sie bearbeitet werden.
1.1 Das Problem, dass nicht benannt werden muss
Häufig wissen wir nicht, was unsere Großeltern Schreckliches im Krieg erlebt haben.
Ich möchte an dieser Stelle eine Methode vorstellen, die sich bei vielen Menschen als hilfreich erwiesen hat:
1. Sie nehmen 6 Blätter oder Moderationskarten und schreiben die Namen der Eltern und Großeltern darauf. Es müssen Blutsverwandte sein, auch wenn Sie sie nicht kennen.
2. Dann legen Sie die Karten auf den Boden wie beim „Genogramm“.
(Das Genogramm ist ein Ordnungssystem, mit dem ein Familienstammbaum übersichtlich dargestellt werden kann. Eine Regel hat sich eingebürgert: Links die Männer, rechts die Frauen.)
Opa Oma Opa Oma
(Vater des Vaters) (Mutter des Vaters) (Vater der Mutter) (Mutter der Mutter)
Vater Mutter
3. Dann gehen Sie im Raum herum und suchen ein „Symbol“ für das Problem, das nicht benannt werden muss.
Wenn Sie diese Übung zu Hause machen, macht es Sinn, ein Symbol zu finden, dass Sie im Anschluss wegwerfen können, z.B. Tempotücher.
4. Dann nehmen Sie das Symbol in die Hand und konzentrieren sich darauf, dass dieses Symbol das Problem trägt, das vielleicht von Ihren Eltern oder Großeltern an Sie körperlich weitervererbt wurde.
5. Dann stellen Sie sich mit dem Symbol in der Hand auf jede Karte, die Ihre Eltern und Großeltern repräsentieren und spüren, ob es einen „Impuls“, eine „Unruhe“, eine „Aufgeregtheit“ gibt bei einer oder mehreren Personen. Das heißt, Sie sammeln die Menge der Personen, die bei Ihnen Unruhe auslösen.
Wenn Sie sehr heftige körperliche Reaktionen spüren, gehen Sie schnell wieder auf Abstand zu der Karte, das heißt aus dem Feld heraus.
6. Sie besorgen sich dann ausreichend Symbole.
7. Sie stellen sich dann mit dem Symbol für das „Problem, dass nicht benannt werden muss“, auf eine Karte, die eine Person repräsentiert und sagen:
„Liebe Oma,
es ist nicht Aufgabe in meinem Leben, dein Problem zu lösen.
Es tut mir leid.
Ich gebe es dir jetzt wieder zurück.
Du wirst andere Wege finden, damit zurecht zu kommen.“
Dann legen Sie das Symbol auf die Karte, die Ihre Oma repräsentiert und gehen
ruhig aus dem Feld heraus.
Wenn weitere Personen körperliche Reaktionen in Ihnen auslösen, wiederholen Sie das Ritual für jede Person.
8. Nach einiger Zeit räumen Sie alles auf, lüften den Raum und entsorgen das Symbol, die Symbole und vielleicht auch die Namenskarten.
Es kann vorkommen, dass Ihnen Tränen fließen. Es kann vorkommen, dass Sie den Impuls bekommen, anteilnehmende Worte zu sagen. Tun Sie das. Wenn Sie zu einer Person eine positive Beziehung hatten, können Sie sich auch bedanken für all die Liebe, die sie erfahren haben, obwohl diese Person auf Grund des Erlebens schrecklicher Dinge eingeschränkt in ihrem Empfindungsvermögen war.
„Liebe Oma, ich danke dir für all die Liebe, die du mir schenken konntest, trotz der schrecklichen Dinge, die du in deinem Leben erlebt hast.“
Eine Frau hatte einmal fünf Symbole ausgesucht und sie unterschiedlichen Menschen zuordnen können. Zwei Rollen Klopapier für den Dreck, den ihre Großväter im Krieg erlebt hatten und drei Pakete Tempotücher für die Tränen, die ihre beiden Großmütter und ihre Mutter in ihrem Leben nicht weinen konnten.
Eine Klientin erzählte mir, dass Sie abends vor dem Einschlafen ihre Eltern und Großeltern gesehen hat. Sie standen als Paare zusammen, winkten ihr zu und freuten sich darüber, dass sie es nun leichter haben wird.
Wenn Sie keine Körperreaktionen spüren, wurde Ihnen kein Stress vererbt oder er ist bis jetzt nicht innerlich aktiviert worden oder die Methode passt für Sie nicht.
Meiner Erfahrung nach gelingt diese Methode häufig bei Menschen, die hochsensibel sind. Was Hochsensibilität genau ist, erläutere ich in Folgenden.
1.2 Hochsensibilität
Man vermutet, dass ca. 15 bis 20 Prozent der Menschen hochsensibel sind. Mit Hochsensibilität ist ein größeres Wahrnehmungsvermögen gemeint. Hochsensible sehen, hören und spüren mehr als Normalsensible. Das Problem ist, dass sie über keinen Dimmer verfügen, das heißt, sie können die Menge an Informationen, die ihr Gehirn erreicht, nicht minimieren. Deshalb sind Pausen notwendig, um das Gehirn nicht zu überlasten. Hochsensible verfügen häufig über Feinfühligkeit, Einfühlungsvermögen, Intuition und Kreativität.
Die wissenschaftliche Forschung steht bei diesem Thema noch am Anfang. Trotz zunehmender Informationen darüber wissen viele Hochsensible nichts von ihrer besonderen Begabung und erleben ihre Andersartigkeit eher als Belastung oder gar als Störung.
Elaine N. Aron, eine amerikanische Forscherin auf diesem Gebiet, hat den Begriff „Highly Sensitive Person“ geprägt. Im deutschsprachigen Raum hat sich die Abkürzung „HSP“ für Hochsensible Personen durchgesetzt.
Unter der Internet-Adresse www.zartbesaitet.net finden Sie einen HSP-Test vom „Verein zur Förderung hochsensibler Menschen“ aus Österreich. Er ist schnell in 3 – 5 Minuten bearbeitet. Die Skala von 1 – 336 definiert ab 163 Hochsensibilität. Der Test erhebt keinen Anspruch auf Wissenschaftlichkeit. Er kann jedoch als erster Schritt genutzt werden, die Entscheidung zu erleichtern, ob Sie sich mit dem Thema Hochsensibilität weiter beschäftigen möchten oder nicht.
Mir persönlich gefällt zu diesem Thema das Buch von Luca Rohleder gut. „Die Berufung für Hochsensible. Die Gratwanderung zwischen Genialität und Zusammenbruch“. Er arbeitet mit einem Modell von Sigmund Freud, dem „Erwachsenen-Ich“, dem „Kind-Ich“ und dem „Eltern-Ich“. Das „Erwachsenen-Ich“ hat die Aufgabe, die kindlichen Bedürfnisse mit den Anforderungen der Gesellschaft, gelernt über die Eltern, in Einklang zu bringen.
Luca Rohleder behauptet, Hochsensible haben zunächst einmal ein „Neugeborenen-Ich“, das lediglich einen warmen Schlafplatz, genügend zu Essen und Sorgenfreiheit braucht. Wenn dies gegeben ist, kann sich das „Höhere-Ich“ entfalten. Damit meint er die Verbindung mit dem großen Ganzen, einer höheren Informationsquelle, den eigenen Instinkten, der eigenen Intuition. Hier kann jeder seine Antwort nach persönlichen Glaubensgrundsätzen finden.
Hochsensible können, wenn sie gut auf sich achten, Probleme, Aufgaben und Ziele im Schlaf bearbeiten. Eine wichtige Voraussetzung ist, ausreichend zu schlafen.
Ich gehe abends zu Bett mit einem Problem, einer Aufgabe oder einem Ziel und morgens, wenn ich wach werde, nehme ich mir eine halbe Stunde Zeit in Stille und lausche auf Gedanken und Geistesblitze. Die Ideen, die kommen, schreibe ich auf. Das „Erwachsenen-Ich“ hat dann nur eine einzige Aufgabe: Das umzusetzen, was mir morgens nach dem Aufwachen eingefallen ist.
Der Weg dorthin setzt voraus, ein bescheidenes Leben fern ab des Konsums und materieller Güter zu führen und meiner Berufung zu folgen. Nach Luca Rohleder sind Hochsensible ideale Entwickler.
Ihre Berufung könnte sein, das Leben von anderen Menschen zu verbessern und/oder zu verschönern.
Beispielsweise dafür Produkte und Dienstleistungen zu entwickeln. Wie Bill Gates, Jil Sander, Beate Uhse, die Albrecht-Brüder.
1.3 Geführte Meditation – Umgang mit der Angst
Und nun eine geführte Meditation. Im Folgenden finden Sie den Text dazu. Wenn Sie mit dieser Methode arbeiten möchten, können Sie sich den Text vorlesen lassen. Wesentlich ist, dass die Person bei den Fragen ausreichend Zeit lässt, damit Ihnen Ideen kommen.
Ein Kollege von mir hat die Meditation aufgenommen und mir geschickt. Diese Aufnahme kann ich Ihnen als WhatsApp schicken.
Ziel:
Entwicklung von mehr Souveränität mit der Anwesenheit von Angst sowie das Beenden der Angst vor der Angst
Bevor wir eine geführte Meditation zum Thema Angst machen, beleuchten wir noch kurz, was Angst eigentlich ist.
Angst ist eine Reaktion auf eine Bedrohung oder Gefahr und äußert sich als besorgte Selbstkontraktion (Zusammenziehen von Muskeln).
Angst ist festgehaltene Aufregung.
Um das besser zu verdeutlichen, hebe eine Hand vor dein Gesicht und schließe sie zu einer Faust.
Betrachte deine Faust als deine Angst – kontrahiert, dunkel, nach innen gekehrt.
Jetzt entspanne deine Hand, ohne die Finger zu spreizen, lass die Faust ganz natürlich und sanft aufgehen.
Das ist Aufregung.
Diese Aufregung kann sich in vielerlei verwandeln, Freude, Wut oder andere Emotionen.
Es ist verfügbare Lebensenergie.
Lass die Hand wieder sinken.
Oft wird Angst, die sich derart verwandelt, zu Wut.
Dies ist naheliegend, wenn man sich das zu Grunde liegende biochemische Muster anschaut. Angst und Wut basieren beide auf dem Ausschütten von Adrenalin.
Dasselbe Adrenalin, nur verschiedene Richtungen. Angst möchte weglaufen, Wut konfrontiert die Bedrohung
Angst kann funktional und unfunktional sein.
Wenn wir uns auf einen Abgrund zubewegen, ist Angst eine intelligente Kraft, die uns vor dem Tod bewahren kann.
Wenn Angst dysfunktional wird, äußert sie sich als übertriebene Sorge und einer generalisierten Ängstlichkeit gegenüber dem Leben. Wir ziehen uns zurück und können uns nicht mehr frei bewegen, meiden unangenehme Situationen, was nichts anderes bedeutet als die Angst selbst zu vermeiden.
Angst kann persönlich und kollektiv sein. Meist hat eine persönliche Angst auch eine kollektive Dimension, die Ängste der Menschheit, unserer Familien und unserer gemeinsamen Vergangenheit äußern sich in uns als Individuen.
Der beste Weg mit Angst zu arbeiten ist es, in die Angst einzudringen, sie kennenzulernen.
Der erste Schritt dabei ist es, sich der Angst zuzuwenden. Und wir beginnen zu erkennen, dass unsere bewusste Begegnung mit unserer Angst die Angst vor der Angst beendet. Es geht dabei auch nicht darum, die Angst loszuwerden. Das ist nicht realistisch, da Angst zu unserem Leben dazugehört, ganz gleich wie weit entwickelt wir sind und wie lange wir schon an uns gearbeitet haben. Jeder hat Angst. Was wir jedoch lernen können, ist mehr Souveränität mit der Anwesenheit von Angst zu entwickeln, so dass sie immer weniger zum Problem wird. Wenn wir uns der Angst zuwenden, sie konfrontieren, sie kennen lernen, verliert sie ihren Schrecken und ihre Macht über uns. Die Angst hat nicht mehr uns, wir haben die Angst. Und wenn wir um die Angst herum entspannen und uns ausdehnen, verwandelt sich die Angst in Aufregung und wird so zu verfügbarer Lebensenergie.
Machen wir dazu nun eine geführte Meditation.
Richte dich so ein, dass du für die nächste viertel Stunde nicht gestört werden kannst.
Mach es dir bequem.
Beobachte deinen Atem.
Versuche nicht deinen Atem zu verändern, sondern werde dir einfach nur bewusst wie du atmest.
Schließe deine Augen.
Entspanne deinen Kiefer und deine Zunge.
Entspanne deine Augen, indem du deinen Blick weich werden lässt.
Lass deinen Bauch weich werden.
Ich werde nun einige unvollständige Sätze sagen.
Vervollständige sie so spontan wie möglich, indem du sie laut zu Ende bringst.
Lass dich so frei wie möglich sprechen, in der Intensität und Lautstärke, die dir angemessen erscheint.
Es gibt dabei nichts falsch zu machen. Betrachte es einfach als Experiment.
– Das, was am leichtesten Angst in mir auslöst ist…
– und das ist am intensivsten, wenn…
– Was mir an meiner Angst auffällt in diesen Momenten ist…
– Das Gefühl dieser Angst in meiner Brust ist…
Sei dir weiterhin deines Atmens bewusst, während du die Sätze vervollständigst
– das Gefühl der Angst in meinem Bauch ist…
– wenn diese Angst eine Form hätte wäre sie…
– und wenn diese Angst eine Farbe hätte wäre das…
– was ich über die Bewegung der Angst sagen kann, sofern ich eine wahrnehmen kann, ist…
erlaube dir nun der Angst noch näher zu kommen, sie neugierig aus der Nähe zu betrachten. Bleibe dir deines Atmens bewusst
– Die Gestalt meiner Angst ist jetzt…
– die Farbe meiner Angst ist jetzt…
– was passiert, während ich mich der Angst annähere, ist…
– was mir jetzt über meine Angst auffällt, ist…
– über die Randbereiche meiner Angst kann ich sagen, dass…
– meine Angst ist jetzt…
– was mir an meinem Geist auffällt ist…
– über meinen Atem kann ich sagen, dass…
– so präsent mit meiner Angst zu sein ist…
– je mehr ich meiner Angst Aufmerksamkeit schenke, desto mehr…
Lass deinen Körper jetzt weich werden.
Werde dir jetzt bewusst, wo in deinem Körper du die Angst am intensivsten spüren kannst.
Entspanne die Bereiche um diese Stellen herum, so als ob du deiner Angst mehr Raum gewährst.
Lass die Bereiche weich werden. Ganz sanft, ganz behutsam, ohne zu viel zu wollen oder zu hetzen.
Beobachte, was passiert, wenn du dein Bewusstsein um die Angst herum ausdehnen lässt. Wenn aus der Faust die geöffnete Hand wird. Was passiert mit deiner Angst, wenn du das tust?
Versuch eine Einstellung zu entwickeln, der Angst Raum zu geben, anstatt sie loswerden zu wollen. Der Angst Raum geben, sich zu verwandeln, sich zu bewegen
nicht zu versuchen die Kontraktion der Angst zu beenden, sondern die Bereiche um die Angst herum zu entspannen, indem du sie mit Achtsamkeit füllst.
Lass dabei die Qualität deiner Achtsamkeit, deiner Konzentration sich entspannen.
Immer weicher.
Schau, was mit deiner Angst passiert.
Wie hat sie sich verändert?
Derart intim zu werden mit unserer Angst beendet die problematische Orientierung ihr gegenüber.
Intim zu werden mit der Angst beendet die Angst vor der Angst.
Nimm einen tiefen Atemzug, öffne deine Augen und verweile so lange wie du möchtest.
Spüre wie du dich weiterhin ausdehnst um die Angst herum, mehr Raum gebend.
Was ist Systemisches Coaching?
Systemisches Coaching hat sich aus der Systemischen Familientherapie entwickelt.
Ein Grundsatz des systemischen Coachings lautet: Jeder Mensch hat alle Ressourcen in sich, ein gutes Leben zu führen. Doch hat er nicht immer den Zugang dazu. Diesen Zugang zu den eigenen Ressourcen wieder zu schaffen, ist Ziel des systemischen Coachings.
Was ist Positive Psychologie?
Martin Seligman, der 1998 den Vorsitz der amerikanischen Psychologen-Vereinigung übernahm, war der Überzeugung, dass es lohnender sei, das Beste auszubauen, statt das Schlimmste zu reparieren. Damit wandelte er den Forschungsschwerpunkt von der Erforschung seelischer Krankheiten hin zur Entwicklung von Wohlbefinden bei Menschen. Als Ziel wurde die Förderung einer positiven Entwicklung von
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Individuen, Ehen und Familien,
-
Institutionen und Unternehmen sowie
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Gesellschaften formuliert.
Er stellte dieses neue Programm vor, welches auf breite Zustimmung stieß. So hat er weltweit an den Universitäten im Fachbereich Psychologie Forschung zu diesen Fragen angeregt. Einige Ergebnisse dieser Forschung stelle ich Ihnen vor.
Im Folgenden finden Sie das Grundlagen-Konzept:
Die 5 Säulen des Wohlbefindens
Martin Seligman stellte die 5 Säulen des Wohlbefindens in seinem Buch: „Flourish. Wie Menschen aufblühen. Die Positive Psychologie des gelingenden Lebens“ vor:
1. Positive Gefühle – Barbara Fredrickson, eine Kollegin von Martin Seligman, erforschte, dass positive Gefühle nicht nur den Menschen gut tun, sondern sich bewusst steigern lassen. Demnach haben Sie selbst Einfluss auf den Grad Ihres Wohlbefindens und können ihn vergrößern. Damit können Sie Ihre Lebenskraft, Intelligenz, Kreativität und Gesundheit verbessern.
2. Engagement und Flow – sich für etwas zu engagieren; etwas tun, was einen herausfordert; mit einer Aktivität eins zu sein, ein Aufhören der Zeit und der Verlust des Ich-Bewusstseins während einer Aktivität, die uns absorbiert.
Martin Seligman bezieht sich hier auf das von dem Psychologen Mihaly Csikszentmihalyi erforschte Flow-Erleben.
Die Aufmerksamkeit ist völlig von dieser Aktivität gefesselt, das Tun ist scheinbar mühelose Hingabe, ein einziges Fließen. Das Bewusstsein arbeitet geschmeidig. Klare Ziele und Rückmeldungen sind möglich.
Häufig im Flow-Zustand zu sein fördert eine psychische Stabilität.
3. Könnerschaft, Erfolg, Zielerreichung, Selbstwirksamkeit – Menschen lieben es, Dinge zu tun, die sie gut können. Menschen suchen Erfolg, Leistung und Könnerschaft um dieser selbst willen.
4. Sinn – Ein sinnvolles Leben besteht darin, zu einer Sache, die größer ist als das Ich, zu gehören und ihr zu dienen. Deshalb erschafft der Mensch all die positiven Institutionen, die dies möglich machen: die ökologische Bewegung, die Pfadfinder oder die Familie. Menschen sind bereit, auch längere Zeit auf positive Gefühle zu verzichten, wenn etwas für sie Sinn macht.
5. Positive Beziehungen – Andere Menschen sind das beste Gegenmittel gegen die Betrübnisse des Lebens und sie sind die verlässlichste aller Aufmunterungen.
Ich greife die Empfehlung von Martin Seligman auf, mit den eigenen Charakterstärken dazu zu arbeiten.
Wie kann ich mit meinen Charakterstärken
• Könnerschaft, Erfolg, Zielerreichung und Selbstwirksamkeit erleben,
• positive Gefühle aufbauen,
• positive Beziehungen gestalten,
• Engagement und Flow leben und
• Sinn erfahren?
Wie Sie Ihre individuellen Charakterstärken kennen lernen, erfahren Sie im folgenden Text.
2. 1 Charakterstärken
Die Positiven Psychologen haben in den Weisheitslehren der Religionen und Philosophien nach Tugenden gesucht, die über Jahrtausende hinweg und in den verschiedensten Kulturen Anerkennung fanden. Aus den Schriften des Konfuzius, von Aristoteles, Thomas von Aquin, dem japanischen Ehrenkodex der Samurai (Bushido), der indischen Bhagavad-Gita und anderen ehrwürdigen Traditionen wurden sechs Kerntugenden herausgearbeitet:
Weisheit und Wissen
Mut
Liebe und Humanität
Gerechtigkeit
Mäßigung
Spiritualität und Transzendenz
Diese Tugenden wurden entwicklungspsychologisch unterteilt.
So kann zum Beispiel Weisheit aufgefächert werden in die Stärken
– Neugier – Ein Kind kommt auf die Welt und entdeckt alles um sich herum.
– Lernbereitschaft oder eine Liebe zum Lernen, die sich später entwickelt, kommt dazu.
Dann entwickeln sich unterschiedliche Begabungen wie
– Urteilsvermögen und kritisches Denken,
– originelles und einfallsreiches Denken,
– soziale und emotionale Intelligenz.
Mit dieser Auffächerung wurden aus sechs Kerntugenden 24 Charakterstärken erarbeitet. Mit Hilfe eines Tests können Sie herausfinden, welches Ihre Charakterstärken sind.
Die Empfehlung lautet, sich die ersten fünf Stärken zu merken und täglich bei der Arbeit, im Umgang mit sich und anderen und in der freien Zeit bewusst zu haben und in der Anwendung zu spüren. Die Empfehlung lautet mit Absicht nicht, an den Schwächen zu arbeiten. Hierfür müssten Sie viel Energie einsetzen und erreichten nur ein Mittelmaß. Sinnvoller ist, alle Energie in die Weiterentwicklung Ihrer Stärken zu investieren.
Wenn Sie Ihre Charakterstärken wissen möchten, können Sie über die Universität in Zürich den Test machen. Sie gehen ins Internet über die Adresse www.charakterstaerken.org. Dann sind Sie auf der Seite der Universität Zürich, die viele Tests kostenfrei ins Netz gestellt hat. Der Charakterstärken-Test heißt VIA – „values in action“. Sie loggen sich ein mit einer E-Mail-Adresse und einem Passwort. Sie benötigen 30-45 Minuten. Wenn Sie eine Pause machen möchten, klicken Sie auf das Logout. Dann wird alles gespeichert und Sie können zu einem späteren Zeitpunkt weiterarbeiten.
Die grundsätzliche Empfehlung für Persönlichkeitstests ist, nicht lange über die jeweilige Antwort nachzudenken, sondern spontan zu entscheiden.
Zum Schluss werden alle Charakterstärken im Vergleich zu Ihrer Altersgruppe nach der Häufigkeit berechnet. Sie bekommen die individuelle Rangreihe Ihrer Stärken.
Es gibt auch einen Charakterstärkentest für Kinder und Jugendliche von 10-17 Jahren bei der Universität in Zürich.
Meine Empfehlung:
1. Bevor Sie den Charakterstärkentest im Internet machen, schätzen Sie sich auf der folgenden Liste zunächst selbst ein. Dann können Sie vergleichen, wie genau Sie sich kennen, wenn Sie Ihre Einschätzung mit dem Testergebnis vergleichen.
2. Wenn Sie das Testergebnis haben, erweitern Sie die Formulierungen aus der folgenden Liste.
Zum Bespiel benennen die Züricher eine Stärke „Vorsicht“. Manche Menschen schätzen „Vorsicht“ eher als Schwäche ein. Martin Seligman benennt „Vorsicht“ auch als „Umsicht, Diskretion und Besonnenheit“. Suchen Sie sich die Worte heraus, die für Sie persönlich eine positive Bedeutung haben.
Charakterstärken
1. Neugier, Interesse an der Welt
2. Liebe zum Lernen
3. Urteilsvermögen, kritisches Denken, Aufgeschlossenheit
4. Kreativität, Einfallsreichtum, Originalität, Gewitztheit
5. Soziale Intelligenz, persönliche Intelligenz, emotionale Intelligenz
6. Perspektive, Weisheit
7. Tapferkeit und Heldenmut
8. Ausdauer, Tüchtigkeit, Sorgfalt
9. Integrität, Authentizität, Ehrlichkeit
10. Freundlichkeit, Großzügigkeit
11. Lieben und zulassen, geliebt zu werden, Bindungsfähigkeit
12. Gemeinschaftssinn, Pflicht, Teamarbeit, Loyalität
13. Fairness, Gerechtigkeit
14. Führungsvermögen
15. Selbstkontrolle, Selbstregulation
16. Besonnenheit, Diskretion, Umsicht, Vorsicht
17. Demut, Bescheidenheit
18. Wertschätzung von Schönheit und Vortrefflichkeit, Sinn für das Schöne
19. Dankbarkeit
20. Hoffnung, Optimismus, Zukunftsorientiertheit
21. Spiritualität, Sinnorientiertheit, Glaube, Religiosität
22. Vergebungsbereitschaft, Barmherzigkeit
23. Humor, Verspieltheit
24. Begeisterung, Leidenschaft, Enthusiasmus
2.2 Die Übung der Charakterstärken
Sie können Ihre fünf Charakterstärken vielfältig nutzen.
1. Sie haben ein Problem, wollen eine Aufgabe lösen oder ein Ziel erreichen? Wie können Ihre Charakterstärken Sie dabei unterstützen?
2. Sie überlegen sich Vorbilder für jede Charakterstärke. Was würden diese Menschen Ihnen raten bei der Lösung eines Problems, dem Erledigen einer Aufgabe oder dem Erreichen eines Ziels?
Eine Erweiterung dieser Arbeit ist:
Sie schreiben die Charakterstärke und die Person, die als Vorbild dient, auf ein Blatt Papier, legen das Papier auf den Boden, stellen sich darauf und warten auf eine Antwort. Das ist eine Methode aus dem Systemischen Coaching, die „Arbeit mit dem Inneren Team“.
3. Wie können Sie mit Ihren fünf Charakterstärken Könnerschaft, Erfolg, Zielerreichung und Selbstwirksamkeit erleben, positive Gefühle aufbauen, positive Beziehungen gestalten, Engagement und Flow erleben und Sinn erfahren? Also die fünf Säulen des Wohlbefindens füllen?
4. Sie überlegen sich neue Anwendungsmöglichkeiten für Ihre Charakterstärken.
5. Sie bitten Ihren Partner und Ihre Kinder, ihre Charakterstärken zu ermitteln und überlegen gemeinsam, wie jeder seine Stärken im Zusammenleben einbringen kann.
6. Sie tauschen mit Freundinnen und Freunden ihre Charakterstärken aus.
7. Sie überlegen sich, welche Charakterstärken Ihre Eltern und Großeltern haben könnten und entwickeln daraus einen „Familienstammbaum“.
8. Sie bitten Kolleginnen und Kollegen, denen Sie vertrauen, den Charakterstärkentest zu machen. Dann überlegen Sie gemeinsam, wie Sie die Arbeit vielleicht anders aufteilen können, damit jeder mehr mit seinen Stärken zum Einsatz kommt und sie sich ergänzen können.
Ich arbeite seit vielen Jahren mit Persönlichkeitstests und mache immer wieder die Erfahrung, dass Menschen sich schwer tun, ihre Stärken zu akzeptieren.
Eine mögliche Erklärung ist, dass ich das, was ich gut kann, nicht als Stärke bewusst habe. Ich gehe davon aus, dass dies etwas ist, was allen Menschen leicht fällt. Ich brauche erst die Erfahrung des Vergleichs, dass andere es nicht so einfach können und Ihnen etwas anderes dafür besser von der Hand geht.
Eine andere Erklärung könnte sein, dass wir in Deutschland keine Kultur des Stolzes auf eigene Fähigkeiten pflegen. Würde ich mich vor eine Gruppe stellen und begeistert und stolz von meinen Stärken erzählen, wären mit großer Wahrscheinlichkeit alle peinlich berührt.
3. Wie kann ich positive Gefühle verstärken?
Barbara Fredrickson, eine Kollegin von Martin Seligmann, hat forschungsmäßig bewiesen, dass viele positive Gefühle zu erleben, Menschen psychisch stabil macht. Damit können Krisen besser bewältigt werden.
Nun geht es darum, mit welchen Methoden Sie positive Gefühle verstärken können.
Als erstes empfehle ich Ihnen das von Martin Seligman entwickelte „Was ist heute gut gelaufen? – Tagebuch“.
3.1 „Was ist heute gut gelaufen? – Tagebuch“
Martin Seligman sagt, dass wir Menschen zu viel über das nachdenken, was in unserem Leben schiefläuft und zu wenig über das, was gut läuft.
Für ihn ist die gelegentliche Analyse unglücklicher Ereignisse sinnvoll, um daraus zu lernen und diese in Zukunft zu vermeiden.
Seiner Ansicht nach verwenden Menschen aber mehr Zeit auf das Nachdenken über die schlechten Dinge in ihrem Leben als dies förderlich und hilfreich ist. Denn dieses Zuviel an Nachdenken ist Grundlage für Angst und Depression.
Das zu verändern kann gelingen, indem wir uns auf die Dinge fokussieren, die gut laufen und sie zu genießen.
Nehmen Sie sich in den folgenden Tagen 10 Minuten Zeit, bevor Sie zu Bett gehen. Schreiben Sie drei oder mehr Dinge auf, die heute gut gelaufen oder für die Sie dankbar sind, die Sie erfreut oder berührt haben.
Verwenden Sie ein Tagebuch dazu oder Ihr Smartphone. Wichtig ist, dass Sie eine greifbare Aufzeichnung anfertigen.
So lernt ihr Gehirn, häufiger die Dinge wahrzunehmen, die bei Ihnen auch gut laufen. Sie können vermehrt auch den Tag mit Tätigkeiten planen, die Ihnen erfahrungsgemäß gut tun.
Eine Erweiterung kann sein, dies zum Paar- oder Familienritual werden zu lassen. Abends, vielleicht beim Abendessen, darf jeder drei Dinge erzählen, die heute bei ihm gut gelaufen sind, über die er sich gefreut hat oder für die er dankbar ist. Die anderen freuen sich mit.
Eine weitere kreative Variante zur Verstärkung positiver Gefühle:
3.2 Vor vielen Jahren lebte ein Mann in der Schweiz …
Immer, wenn er das Haus verließ, füllte er sich eine Handvoll Erbsen in die linke Jackentasche. Jedes Mal, wenn ihm an diesem Tag etwas Schönes begegnete oder ihm jemand eine Freude machte, holte er eine Erbse aus der linken Jackentasche und ließ sie unauffällig in die rechte Tasche fallen.
Manchmal hatte er am Ende des Tages nur eine oder zwei Erbsen in der rechten Tasche. Doch auch darüber freue er sich – ihm war etwas Gutes wiederfahren.
Viel öfter jedoch konnte er die vielen Erbsen aus der rechten Jackentasche kaum noch in einer Hand halten, so viel hatte ihn an diesem Tag erfreut:
Ein angenehmes Gespräch,
ein Sonnenstrahl,
Vogelgesang,
ein fröhliches Kinderlachen,
wohltuende Musik,
ein freundlicher Gruß …
Er stellte erstaunt fest, wie seine Sinne genauer lernten, das Schöne aufzuspüren.
Weitere Möglichkeiten:
Sie nehmen Ihr Smartphone oder ein Blatt Papier sowie einen Stift und gehen 45 Minuten spazieren und finden 20 Dinge, die Ihnen gefallen. Das können Blumen, Häuser, Autos, Motorräder, Menschen und so weiter sein.
Oder Sie gehen oder fahren zur Arbeit oder wo auch immer hin. Sie halten Ausschau nach Dingen, die Ihnen gefallen. So können Sie auch Zeiten nutzen, die Sie vorher als nutzlos wahrgenommen haben wie zum Beispiel das Stehen an einer roten Ampel.
So üben Sie, das für Sie Schöne aufzuspüren.
3.3 Portfolio der positiven Gefühle
Barbara Fredrickson schlägt in ihrem Buch, die Macht der guten Gefühle, vor, ein Portfolio, eine Sammelmappe der 10 positiven Gefühle anzulegen.
Gesammelt werden können zu den einzelnen Gefühlen Erinnerungen, Bilder, Andenken, Objekte, Fotographien, Briefe, Zitate, Lieder, Videoclips usw.
Sie hat eine Rangreihe der positiven Gefühle nach der Häufigkeit, mit der sie auftreten, erstellt.
Wobei die Liebe eine Sonderstellung einnimmt. Sie enthält nach ihrer Meinung häufig alle anderen positiven Gefühle. Deshalb ist sie ans Ende der Liste gewandert.
Sie finden diese Liste im nächsten Kapitel – 2.4 Wochen- und Monatsplan…
3.4 Wochen- und Monatsplan positiver Gefühle
Ich nutze diese Liste, mir immer wieder aufzuschreiben, welche Tätigkeiten bei mir diese Gefühle auslösen. Dann überlege ich mir, wie ich diese Tätigkeiten in meinen Alltag integrieren kann und erstelle einen Wochen- und Monatsplan.
Vielleicht haben Sie Lust, beide Methoden einmal auszuprobieren.
Was löst bei mir folgende positive Gefühle aus?
1. Freude oder Glück
2. Dankbarkeit oder Anerkennung
3. Heiterkeit, Zufriedenheit oder innerer Frieden
4. Interesse, Wachsamkeit oder Neugier
5. Hoffnung, Optimismus, Unterstützung oder Ermutigung durch andere
6. Stolz, Zuversicht oder Selbstvertrauen
7. Vergnügen, Fröhlichkeit, Ausgelassenheit
8. Inspiration oder Erhabenheit
9. Ehrfurcht, Staunen oder Bewunderung
10. Liebe, Nähe oder Vertrauen
4. Wie kann ich Probleme lösen?
4.1 Vom Problem zum Ziel
Eine der wichtigsten Methoden im Systemischen Coaching ist die Arbeit – „Vom Problem zum Ziel“.
Die meisten Menschen sind, wenn sie über ein Problem nachgrübeln, in einer Problemtrance. Die Gedanken kreisen, die Schultern hängen, die Atmung ist flach und der Bauch eingedrückt. In diesem Zustand haben sie wenig Kontakt zu ihren Fähigkeiten und Ressourcen.
Bei der Frage, „was könnte bei diesem Problem ein gutes Ziel sein?“, richten die meisten Menschen sich langsam auf und schauen halb nach oben. In dieser Körperhaltung gehen die Schultern leicht nach hinten, die Atmung wird freier und tiefer und der Bauch (das Zentrum der Intuition) gewinnt an Platz.
Die Suche nach Zielen ist häufig erst einmal ungewohnt. Wir denken meistens ganz schnell in Problemen und Maßnahmen.
Zu beachten ist, dass ein Ziel positiv formuliert werden soll. Das Gehirn kann sich das „Nicht“ nicht merken. Denken Sie einmal nicht an einen lila Elefanten. Den meisten Menschen kommen Bilder von einem lila Elefanten.
In Zeiten der Corona-Pandemie ist es kein gut formuliertes Ziel, „nicht krank zu werden“, sondern „gesund zu bleiben“.
Hilfreich bei größeren Themen ist, mit dem Wort Zufriedenheit zu arbeiten. Ich wünsche mir Zufriedenheit in Beziehungen, mit meinem Arbeitsplatz, mit meiner Gesundheit. Dann kann ich überlegen, mit welchen Maßnahmen ich diesen Zustand erreichen kann.
Weiterhin ist wichtig, dass ich mein Ziel selbst erreichen kann. Nicht, mein Chef oder Partner soll freundlicher mit mir umgehen, sondern wie kann ich meine Zufriedenheit steigern im Kontakt mit meinem Chef oder Partner?
Dazu kommt, dass Ziele zu erreichen mehr Energie aktiviert als Probleme zu lösen.
4.2 Mini-Aufstellung mit Zetteln und/oder Symbolen
In der systemischen Familientherapie wurde die Methode der Familienaufstellung oder Skulpturarbeit von Virginia Satir entwickelt.
Eine Person stellt eine Situation, die sie als belastend erlebt, auf. Das kann ein Streit mit dem Chef oder eine Auseinandersetzung mit dem Ehemann und der Tochter sein. Aus einer Gruppe werden Personen ausgewählt, die stellvertretend die verschiedenen Personen darstellen. Es können auch Gefühle, positive wie negative, aufgestellt werden. Zunächst wird die Ist-Situation dargestellt.
Dabei kommt es unter anderem auf die Abstände zueinander, die Blickrichtung und die Körperhaltung an. Jede Person, die aufgestellt wurde, kann dann sagen, wie sie sich im Kontakt mit den anderen fühlt. Der Klient erhält darüber neue Informationen über die Problem-Situation.
Dann bekommen die Teilnehmer die Aufgabe, langsam, ohne zu sprechen, ihre Position so lange zu verändern, bis sie sich wohler fühlen. Damit wird von der Gruppe eine Lösung erarbeitet. Wenn die Aufstellung zur Ruhe gekommen ist, wird jede Person befragt, wie es ihr jetzt geht und was jetzt anders ist. Zum Schluss geht die Person, die das Problem hatte, in die Stellvertreter-Position, um den Lösungsentwurf selbst zu spüren.
Dies ist eine der erlebnisintensivsten und ergiebigsten Methoden, die heute auch vielfach im „Systemischen Coaching“ angewandt werden. Doch es bedarf einer Gruppe von Personen.
Ich beschreibe im Folgenden, wie sie mit dieser Methode auch alleine arbeiten können. Die minimalistische Ausstattung benötigt kleine Zettel und einen Stift. Sie können zusätzlich auch Symbole dazu nehmen, einen Kugelschreiber, eine Vase, eine Büroklammer usw.
Sie benennen das Problem.
Sie benennen das Ziel.
Wer und was sind beteiligt? Der Ist-Zustand.
Ich als Person
Ziel
Unangenehme Gefühle
Angenehme Gefühle
Eventuell eine weitere Person
Sie nehmen einen Zettel für sich selbst und legen ihn auf einen Tisch. Mit einem Pfeil markieren Sie ihre Blickrichtung. Wenn Sie möchten, suchen Sie ein Symbol für sich und legen es darauf.
Dann schreiben Sie ihr Ziel auf einen weiteren Zettel und legen ihn im Abstand zu sich selbst hin. Wie weit ist ihr Ziel von Ihnen entfernt? Bekommt das Ziel ein Symbol?
Wenn eine andere Person beteiligt ist, legen Sie einen Zettel mit dem Namen dieser Person und der markierten Blickrichtung wieder in Beziehung zu sich dazu. Ein Symbol?
Welche unangenehmen Gefühle sind beteiligt? Sie haben auf der nächsten Seite eine Liste unangenehmer Gefühle, die Ihnen Anregung geben kann. Nehmen Sie nicht mehr als zwei Gefühle, sonst wird es zu Beginn unübersichtlich. Schreiben Sie sie auf Zettel und legen Sie sie in ihr System auf dem Tisch in Beziehung zu sich. Symbole dazu?
Welche angenehmen Gefühle sind beteiligt? Nicht mehr als zwei auf Zettel schreiben und dazu legen.
Überprüfen Sie noch einmal alle Abstände, bis es sich stimmig anfühlt.
Jetzt haben Sie den Ist-Zustand dargestellt.
Sie können jeden Zettel oder jedes Symbol berühren und spüren, wie fühlt es sich an und was will es?
Soll-Zustand – Wo will ich hin?
Wie kann ich die einzelnen Positionen so verschieben, bis es besser passt?
Was ist hinter mir und fühlt sich unangenehm an?
Wenn ich es vor mich schiebe und im Blick habe, was ist dann anders?
Was fällt mir noch ein?
Brauche ich noch etwas dazu? Charakterstärken? Zettel mit zwei Charakterstärken dazu legen. Wie verschieben sich die anderen Positionen?
Wie kann ich das, was ich noch brauche, gewinnen?
Zum Abschluss:
Was ist jetzt anders?
Was mache ich als Erstes wann?
Wie geht es mir jetzt?
Liste unangenehmer Gefühle
Wenn ich mich in einer Problemtrance befinde, ist mir nicht immer klar, welche Gefühle genau ich empfinde.
Für die Methode der „Mini-Aufstellung“ benötigen Sie klare Formulierungen der negativen Gefühle. Als Anregung biete ich Ihnen eine Liste an, die von Barbara Fredrickson erarbeitet wurde.
Welche Gefühle erleben Sie gerade bei Ihrem Problem?
1. Wut, Zorn oder Verärgerung
2. Scham, Demütigung oder Blamage
3. Verachtung, Hohn oder Geringschätzung
4. Abscheu, Ekel oder Widerwillen
5. Verlegenheit oder Befangenheit
6. Schuld oder Reue
7. Hass, Misstrauen oder Argwohn
8. Trauer, Verzagtheit oder Unzufriedenheit
9. Angst, Furcht oder Sorge
10. Stress, Nervosität oder Überforderung
BEISPIEL:
Eine Frau, Marion M. ärgerte sich im Kontakt mit einer Freundin.
Der Ist-Zustand: Wer und was sind beteiligt?
Person: Marion M.
Ziel: Verträglichkeit mit der Freundin
Unangenehme Gefühle: 1. Ärger und 2. sich klein gemacht fühlen;
Angenehme Gefühle: 1. Sie mochte die Freundin gut leiden.
2. Sie genoss häufig ihre interessanten Ideen.
Eine weitere Person: Die Freundin
Ist-Zustand:
Ziel: Verträglichkeit
Freundin
Ärger
Marion M.
Klein gemacht fühlen
Gute Ideen Mögen
Soll-Zustand – Wo will ich hin?
Ziel: Verträglichkeit
Freundin
Interessante Ideen
Klein gemacht fühlen und mich ärgern
Mögen
Marion M.
Marion M. hat das, was hinter ihr war, nach vorne geholt. (Ich fühle mich klein gemacht. Ich mag meine Freundin. Ich genieße so oft ihre guten Ideen). Dann kann sie damit arbeiten.
Ihr fiel spontan ein: „Da ich meine Freundin mag, sage ich ihr, dass ich mich beim letzten Gespräch klein gemacht gefühlt habe. Das hat mich geärgert.
Sie wird erschrocken sein und sich entschuldigen.
Dann kann ich sie wieder genießen mit ihren interessanten Ideen.“
BEISPIEL:
Eine Frau, Anna W. bekam massive Ängste während der Corona-Krise.
Der Ist-Zustand: Wer und was ist beteiligt?
Person: Anna W.
Ziel: Gesundheit
Unangenehme Gefühle: 1. Angst und 2. Sorge
Angenehme Gefühle: 1. Optimismus und 2. Freude
Keine weitere Person ist beteiligt.
Ist-Zustand:
Ziel: Gesundheit
Sorge
Anna W.
Angst
Optimismus
Freude
Soll-Zustand – Wo will ich hin?
Ziel: Gesundheit
Optimismus
Freude
Sorge
Angst
Anna W.
Anna W. hat dass, was hinter ihr war, nach vorne geholt. Sie will sich die Angst genauer anschauen.
Ich biete ihr zwei Methoden an.
1. Das Problem, dass nicht benannt werden muss.
2. Eine geführte Meditation zum Thema „Umgang mit der Angst“.
Sie willigt ein.
Diese Methoden wurden zu Beginn beschrieben.